ja, so etwas geht schon, wenn es nur um Essen und Kleidung geht und im kleinen Rahmen oder innerhalb der Familie.
Aber wir kaufen exotische Gewürze, Nüsse, Früchte, Kaffee, Tee, ... auf die ich auch nicht verzichten möchte, haben Gasheizung, Auto, TV, Handy, fahren in den Urlaub... und hauptsächlich erwerben wir Produkte des täglichen Lebens, Kleidung, Schuhe, Elektrogeräte,... aus Billiglohnländern, Futtermittel von anderen Kontinenten, billige Erntehelfer aus dem Ausland.
Wie soll das da gehen?
Vorausschicken möchte ich, daß ich hier meine persönliche Gegenwart/Zukunftsideen beschreibe und auch ausführlich auf das Zitat von Kaulli eingehe. Ich erkläre manches anhand von Beispielen. Mir ist auch wichtig, die Vergangenheit zu verstehen, um die Zukunft gestalten zu können.
Wer im Wald mehrmals von einem Ort zum Nächsten geht, wird bemerken, daß nach einigen Tagen ein schmaler Pfad entstanden ist, den auch andere Menschen sehen. Laufen mehr Menschen auf ihm, wird es ein breiter Weg. Der Weg entsteht beim Gehen und Umwege erhöhen die Ortskenntnis.
Wo anfangen? In meinem Innern und an dem Ort, wo ich mich gerade befinde. Denn physisch-körperlich kann ich nur hier, wo ich bin, Veränderungen schaffen.
In meinem Innern deshalb, weil andere Menschen es nicht mögen, wenn ich sie kolonialisiere, indem ich ihnen sage, sie sollen sich jetzt bittschön verändern. Kinder lernen viel durch Nachahmung.
Als Beispiel für die physische Veränderung vor Ort soll hier mein Garten dienen, den ich sehr genau beobachte, um zu lernen, was welche Pflanzen bei genau diesem Boden und den jetzigen Wetterverhältnissen brauchen, um gut zu gedeihen. Das Gleiche kann ich nicht von hier aus für einen Garten in Uganda tun - einfach deshalb nicht, weil ich nicht körperlich vor Ort bin.
Vom Beginn der Menschwerdung bis vor etwa 100 Jahren haben die Menschen fast alles, was sie brauchten, im Umkreis erzeugt, so weit, wie eben die Kirchturmglocken oder der Ruf vom Minarett zu hören waren. Den Rest haben sie aus dem Fernhandel/Kolonialwarenladen gekauft/getauscht.
Die Menschen haben lokal gelebt, von dem Boden, der Erde, der Natur, die sie umgab. Menschen sind naturgebunden.
Und zu diesem lokalen Leben versuche ich, zurückzukehren.
Das macht mir viel Freude: als ich mir selbst beigebracht hatte, aus Brennnesseln Schnüre herzustellen, habe ich mich sehr beflügelt gefühlt. Ich wußte im Verstand, daß die Menschen diese Tätigkeit vor bereits 5000 Jahren ausübten. Aber es selbst auch zu können, dieses Wissen praktisch zu händeln, hat mich auf sehr persönliche Weise mit den menschlichen Ahnen verbunden, auf einer innerseelischen Ebene.
Ich versuche, mich Deinem Zitat ganz praktisch zu nähern (nimm was Du brauchst, und vergiss den Rest, ich beschreibe es einfach auf meine Herangehensweise):
Wie lebe ich regional/lokal?
Ich möchte im Vorhinein darauf hinweisen, daß unsere Eßgewohnheiten und andere Vorlieben zu einem großen Teil kulturell erlernt sind. Ich esse kein Pferd/Hund, weil das in meiner Kultur nicht üblich ist, in anderen aber schon. Das läßt sich weit fortsetzen. Was mir hier hilft, ist, mich genau zu beobachten.
Exotische Gewürze/Pfeffer: entweder weiterhin vom Fern/Kolonialhandel beziehen, oder vor Ort nach Alternativen suchen. Hirtentäschel eignet sich als Pfefferersatz.
Momentan stellen das Kind und ich ein Wald-Wiesen-Garten-Salz her. Da kommt alles getrocknet rein, was über ist, oder wir finden: Blätter von Radieschen und Möhre, Löwenzahn, durchaus auch 2 getrocknete Kamillenblüten, die das Kind abgerissen hatte. Dann minimal Salz in den Mörser, damit sichs besser vermahlen läßt. Schmeckt dem Kind viel besser, als jedes gekaufte Kräutersalz.
Nüsse/Früchte: Nüsse sammeln wir im Herbst im Dorf/am Waldrand, das reicht uns bis ins Frühjahr, dann haben wir eh keinen Apetit mehr darauf. Früchte, mhm, wir essen gern Orangen/Mandarinen - ich überlege, solidarisch eine Orangerie aufzubauen. Und ich kann mir gut vorstellen, daß die Orangenbauern in Spanien auf ihrem Land vielleicht gern was anderes anbauen würden, als (Bio-)Orangen.
Kaffee/Tee: ist kulturell anerzogen. Hab ich mal als Experiment gemacht, ich trinke ja gern Espresso: für einen Monat umgestellt auf Schwarztee, kannste aus fermentierten Brombeer/Himbeerblättern machen. Nach einem Monat war ich daran gewöhnt, siehe Paradigmenwechsel.
Gasheizung: haben wir nicht, wir haben uns einen Holzofen samt neuem Außenkamin installieren lassen, mit dem wir den ganzen Winter heizen. Mit Ölheizung heizen wir nur dazu. Ich liebäugle allerdings mit einem Badeofen: wärmt das Bad und macht Heißwasser in einem. Und wenn die Bauvorschriften nicht wären, würd ich wohl einen Lehmofen für drinnen selbst bauen.
Holz kaufen wir zu, weil wir noch keinen eigenen Wald haben - ich bring aber meist vom Waldspaziergang etwas Fundholz und Kiefernzapfen/Birkenrinde zum Anzünden mit - ich bin leidenschaftliche Sammlerin.
Auto/TV/Handy: Auto haben wir, ich wünsche mir, daß der Nahverkehr ausgebaut wird, vielleicht mit kostenfreier Benutzung, dann fahre ich gern Bus und Bahn und schaff das Auto ab.
TV haben wir schon vor 10 Jahren abgeschafft: der Körper des Menschen sitzt bewegungslos vor dem Gerät, der Geist des Menschen befindet sich in einer Scheinwelt. Ich lebe gern real.
Handy: meines ist von 2006 und nur an, wenn das Kind im Kindergarten ist, damit die Kindergärtnerinnen mich erreichen können.
Kleidung: hält bei uns lange, beim Kind muß ich nachkaufen, wächst ja. Da kaufe oder tausche ich gebraucht und näh auch mal was selbst.
Schuhe: möchte ich mir gern selbst herstellen - ich trage nur Barfußschuhe.
Elektrogeräte: haben wir so wenig wie nötig, weil ich vom Strom wegkommen will. Wir haben stattdessen: diverse Mörser, Kaffeemühle, Edelstahlfleischwolf, flotte Lotte...
Billige Erntehelfer aus dem Ausland: ich ernte in Garten und Wald und bei uns in der Straße wissen alle, daß ich gern zum Überschussernten komme. Dafür verschenke ich selbst gebackenen Kuchen, selbstgemachten Sirup.
Anderes Beispiel: ich habe dieser Tage bei uns um die Ecke am Wiesenrand Pappeln entdeckt. Glücklicherweise lagen ein paar abgebrochene Äste mit Knospen am Boden. Beim Probieren der Knospen hab ich gemerkt, daß es Balsampappel ist. Ich hab mich sehr gefreut, die Knospen gesammelt, weil die wie Styrax riechen und auch so verwendbar sind, bzw. ich versuch damit auch mal, Süßspeisen zu würzen.
Das alles sind Beispiele wie meine gelebte lokale Gegenwart aussieht - es könnte Eure gelebte lokale Zukunft sein. Ich kann niemanden ändern, außer mich selbst. Auch bei mir klappt nicht alles auf Anhieb, oder so wie ich es mir vorstelle. Wichtig ist, daß ich diesen Weg gehe. Außdrücklich habe ich keine Antwort auf die Probleme der Welt, aber ich beobachte und finde Antworten auf meine Fragen/Probleme.